Bulimie / Ess-Brech-Sucht (Bulimia nervosa)

Eine Bulimie (Ess-Brech-Sucht, Bulimia nervosa) ist gekennzeichnet von wiederkehrenden Essanfällen. In der Folge versuchen Betroffene, ihrer Angst vor einer Gewichtszunahme durch herbeigeführtes Erbrechen, Abführmittel oder andere Massnahmen zu begegnen. In der Schweiz leiden 2,4 Prozent der Frauen und 0,9 Prozent der Männer an einer Bulimie – mit steigender Tendenz. Im Gegensatz zur Magersucht (Anorexia nervosa), von welcher in hohem Masse heranwachsende Frauen betrifft, ist bei Bulimia nervosa die Gruppe der 30- bis 39-jährigen Frauen sogar noch stärker betroffen als jene der 15- bis 29-jährigen.

Ursachen und Symptome

Bei der Bulimie kommt es zu wiederholten Heisshungeranfällen, die mit einem Kontrollverlust einhergehen. Innerhalb kürzester Zeit werden grosse Mengen an Nahrungsmitteln verschlungen. Die Betroffenen dieser Essstörung fühlen sich diesem Geschehen machtlos ausgeliefert. Um der Angst vor einer Gewichtszunahme entgegenzuwirken, wird unmittelbar danach versucht, den Vorfall rückgängig zu machen, durch selbst induziertes Erbrechen. Dies führt zu kurzfristigem Spannungsabbau. Im Verlauf kann dieses Vorgehen automatisiert ablaufen. Als gegensteuernde Massnahmen werden zudem Appetitzügler, Abführmittel, Entwässerungsmittel, Schilddrüsenhormone sowie übermässige Bewegung genutzt. Ess-Brech-Attacken wechseln häufig mit Hungerphasen. Beim sogenannten Non-Purging-Typ fehlen Erbrechen und Medikamentenmissbrauch, stattdessen versuchen Betroffene, den Essanfall mit intensivem Fasten auszugleichen.

Patientinnen und Patienten mit der Diagnose Bulimie leiden in der Regel unter einer Körperschemastörung: trotz normalem oder leichtem Übergewicht wird der eigene Körper als viel zu dick empfunden. Das Essen oder Nicht-Essen bestimmt zunehmend den Lebensinhalt, alle anderen Lebensbereiche werden zweitrangig. Die übertriebene Besorgnis um Figur, Körpergewicht, Body-Mass-Index sowie die Gier nach Essen isolieren die Betroffenen der Essstörung. Geringes Selbstwertgefühl, ein negatives Selbstbild und weitere psychische Symptome beeinträchtigen die Lebensqualität von Menschen mit Ess-Brech-Sucht massiv. Wie bei den meisten psychischen Erkrankungen geht man auch bei der Entstehung der Bulimie von einem multifaktoriellen Geschehen aus, mit einer Kombination von entwicklungspsychologischen, soziokulturellen und biologischen Faktoren.

Behandlung von Bulimie / Ess-Brech-Sucht

Wie auch bei anderen Essstörungen wie der Anorexia nervosa (Magersucht) erfolgt die stationäre Therapie bei der Bulimia nervosa nach integrativem, methodenübergreifendem Ansatz mit verhaltenstherapeutischen und systemischen Anteilen. Im Vordergrund der Behandlung stehen das Einhalten regelmässiger Mahlzeiten sowie die Entwicklung von weiterführenden Perspektiven. Mit Hilfe von verhaltenspsychotherapeutischen Techniken wird den Patientinnen und Patienten das Erlernen von Bewältigungsstrategien in Anspannungssituationen ermöglicht, so dass die Phasen ohne Ess- und Brechanfälle verlängert werden können. Parallel erfolgt die Bearbeitung der auslösenden Konflikte und Problembereiche. Ergänzend zur kognitiven Verhaltenstherapie kann bei Bedarf eine medikamentöse Therapie erfolgen, vornehmlich mit antidepressiven Medikamenten. Bei der Bulimie vermindert die Gabe eines Serotoninwiederaufnahmehemmers das Auftreten von Heisshungerattacken und Erbrechen. Zudem ist dadurch auch langfristig eine höhere Stabilität hinsichtlich Essverhalten zu erreichen.

In der Therapie von Essstörungen wie Anorexia nervosa, Bulimia nervosa oder Binge-Eating-Störung ist eine ganzheitliche Betrachtung der Situation der Betroffenen besonders wichtig. Eine Essstörung hat zumeist auch andere gesundheitliche Folgen. Diese können einerseits den Körper betreffen, zum Beispiel, wenn das häufige Erbrechen bei der Bulimie zu bleibenden Zahnschäden führt, weil die Magensäure den Zahnschmelz angreift. Andererseits stehen Essstörungen häufig in Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen, die auch entsprechend in der Therapie einbezogen werden müssen.

Mit einer individuellen Psychotherapie, die sowohl medizinisch als auch menschlich auf hohem Niveau ist, kann eine Essstörung nachhaltig behandelt werden. Der verbesserte Umgang mit den Themen Essen, Gewicht und Körper schafft die Voraussetzung, damit Betroffene zu einem normalen Essverhalten zurückfinden und ihr Leben wieder in den Griff bekommen.