Anorexie / Magersucht (Anorexia nervosa)

Übersetzt aus dem Griechischen und dem Lateinischen bedeutet der Begriff «Anorexia nervosa» so viel wie «nervöse Appetitlosigkeit». Im Gegensatz zur Bulimie, bei welcher die Gewichtszunahme vor allem durch herbeigeführtes Erbrechen vermieden wird, steht bei der Anorexia nervosa die reduzierte Nahrungsaufnahme im Zentrum. Die Essstörung führt zu starkem Gewichtsverlust, wobei Magersüchtige trotz deutlichem Untergewicht noch den Eindruck haben, zu dick zu sein.

Anorexie – Ursachen und Symptome

Die Anorexie (Magersucht) ist als Unterform der Essstörungen keine rein psychische Erkrankung, sondern ein Krankheitsbild, bei welchem psychische, physische, soziale sowie genetische und epigenetische Aspekte einwirken. In der Schweiz erkranken rund 1,2 Prozent der Frauen und 0,2 Prozent der Männer an Anorexie, in Europa leiden etwa 1 Prozent aller Frauen und etwa 0,1 Prozent aller Männer zwischen 15 und 35 Jahren an Magersucht. Am häufigsten betroffen sind junge Frauen – die Erkrankung beginnt meistens im Alter zwischen 12 und 16 Jahren. Sie kann aber auch Frauen zwischen 40 Jahren und der Menopause treffen. Lebensveränderungen und körperliche Veränderungen wirken dort zusammen.

Die Anorexia nervosa (Magersucht) ist eine Krankheit, die sich auf viele wichtige Lebensbereiche auswirkt. Meist kommt es zu Beeinträchtigungen der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit, der Lebenszufriedenheit, zu Schwierigkeiten in Beziehungen und im schulischen oder im beruflichen Bereich. Aufgrund einer verzerrten Wahrnehmung haben Magersüchtige die feste Überzeugung, trotz bestehendem Untergewicht normalgewichtig oder zu dick zu sein, und sind von einer ausgeprägten Angst vor Gewichtszunahme beherrscht. Paradox dabei: Menschen mit einer Anorexie versuchen zwanghaft, ihr Essverhalten unter Kontrolle zu halten – ihr Leben gerät dabei aber ausser Kontrolle. Betroffene entwickeln zahlreiche Strategien, um ihr Gewicht tief zu halten. Im Vordergrund steht die restriktive Nahrungseinnahme; kalorienreiche Lebensmittel werden vermieden. Mit der Zeit werden Diäten und Fasten alltäglich. Ein grosser Teil der Betroffenen von Magersucht macht zudem exzessiv Sport, erbricht das Wenige, was eingenommen wird oder betreibt Medikamentenmissbrauch mit Appetitzüglern, Abführ- und Entwässerungsmitteln. Gewichtsverlust und Untergewicht sind dabei nicht die einzigen körperlichen Folgen der Essstörung. Langfristig führen diese Verhaltensweisen auch zu weiteren körperlichen Schäden, die schwer und irreversibel sein können.

Behandlung von Anorexie (Magersucht)

Der aktuelle Forschungsstand beim Thema Essstörungen geht bei der Anorexia nervosa von einer primär psychischen Entstehung aus. Deshalb gilt die Psychotherapie als Behandlung der ersten Wahl. Körperliche (somatische) Gesichtspunkte müssen aber in der Behandlung der Essstörung immer mitberücksichtigt werden. Mittels der stationären Behandlung soll der Kreislauf von Perfektionismus, gestörtem Essverhalten, übermässiger Auseinandersetzung mit dem Thema Essen, vermindertem Selbstwertgefühl und mangelnden Konfliktbewältigungsstrategien durchbrochen werden. Ziel der Therapie ist es, das Körpergewicht und das Essverhalten zu normalisieren, den Gewichtsverlust auszugleichen, verzerrte Wahrnehmungen des eigenen Körpers und Gewichts zu bearbeiten sowie Auslöser, Hintergründe, aufrechterhaltende Faktoren und Funktion der Essstörung zu erarbeiten. Zudem werden neue, alternative Fertigkeiten und Bewältigungsstrategien im Umgang mit beeinträchtigenden Gefühlszuständen erlernt.

Zu Beginn der Therapie wird individuell eine schriftliche Vereinbarung getroffen, in welchem Zeitrahmen wie viel an Gewicht zugenommen werden muss. Ein wichtiges therapeutisches Instrument stellt das Esstagebuch der Betroffenen dar, welches im Rahmen der Behandlung besprochen wird. Die Einnahme regelmässiger Mahlzeiten, eine Schärfung der Sinne für Hunger und Sättigung, das Wiedererlernen von Genuss, das Erkennen und Aufnehmen von normalen Essensmengen sowie das Annehmen von Verdauungsvorgängen sind Meilensteine auf dem Weg hin zu einem normalen Essverhalten. Wir beziehen Angehörige von Anfang an in die Therapie ein, in Absprache mit den betroffenen Personen. Stets im Vordergrund steht die Nachhaltigkeit der Behandlung. Ergänzend zur stationären Therapie kann eine nachfolgende ambulante Psychotherapie den langfristigen Behandlungserfolg stärken.